Die Albrechtsburger Tafelrunde

Standesbuch der Albrechtsburger Tafelrunde

Klosterneuburg im Jahre 1865: Drei Jahre zuvor war die Verwaltung der Stadt mit dem Inkrafttreten des Reichsgemeindegesetzes zu einem Großteil in die Hände der Gemeinden gelegt worden. In einem festgelegten Wirkungskreis durften sie nun selbst entscheiden, ohne das Eingreifen der Staatsorgane befürchten zu müssen. Verkehrstechnisch war Klosterneuburg noch von Stellwägen und Schiffen abhängig. Die Franz-Josefs-Bahn sollte erst 1870 eröffnet und mit einem Bahnhof (später Klosterneuburg-Weidling) an das moderne Verkehrsnetz angebunden werden.

Mit der Donauregulierung und der damit verbundenen Verlegung des Flussbettes in Richtung Korneuburg verlor Klosterneuburg seinen wichtigsten Handelsweg. Bis zur Jahrhundertwende veränderte sich auch das Aussehen Klosterneuburgs erheblich: Die Stadtmauer wurde entfernt und durch den steigenden Bevölkerungszuwachs (die Einwohnerzahl sollte sich bis 1900 auf 11595 Personen fast verdoppeln) entstand ein regelrechter Bauboom, der sich auch auf die infrastrukturelle Entwicklung auswirkte.

In diese Zeit des Aufbruchs und der Umgestaltung fiel die Gründung der „Albrechtsburger Tafelrunde“, ein Zusammenschluss von Klosterneuburger Männern (Frauen wurden erst ab 1882 aufgenommen), die an einem Tag in der Woche gemeinsam der Geselligkeit verfielen. Ein Zitat aus der Chronik beschreibt die Gründung wie folgt:
„Die Gesellschaft der Klosterneuburger Ritter bildete sich auf eine Weise, die so alltäglich ist, daß man viele einleitende Worte füglich ersparen kann. Selbe entstand im Jahre 1865 am 04. September, durch eine Tischgesellschaft, welche jeden Abend im Gasthause zum Herzogshute sich zusammen fand, ausschliesslich aus sich selbst, u. ohne jede Nachahmungssucht etwas Dagewesenen, um nach der Tagesarbeit bei Bier u. Brod, mit harmlosen Gesprächen u. Lustbarkeit, einige Stunden zuzubringen, u. sich wenig oder gar nicht um das politische Getriebe kümmerte, welches sich zu dieser Zeit allerseits bedeutend in den Vordergrund drängte.“

Die Idee des Ritterbundes war nicht neu. Bereits im 15. Jahrhundert hatte es vergleichbare Vereinigungen gegeben. Im 19. Jahrhundert erfuhren diese jedoch vor allem in Österreich und Bayern einen erheblichen Aufschwung. Neben dem bereits erwähnten geselligen Zusammentreffen sollte die Pflege des mittelalterlichen Brauchtums im Fokus der Bünde stehen. Zu diesem gehörte der feierliche Ritterschlag nach Beendigung der Knappenzeit ebenso wie die Vergabe von Ritternamen. Beispiele hierfür sind: Leu von Leuenstein, der Mocca (Cafetier), Mercutio Fladivo, der Flanell (Kaufmann), Hubertus Höllenstein, der Wütherich, Hinz von Katzenstein, der Probierer. Wie unschwer zu erkennen ist, spiegelten die Namen bestimmte Wesenszüge oder den Beruf ihrer Träger wieder. In der Rittergemeinschaft Klosterneuburgs trafen sich Gewerbetreibende und Stadtoberhäupter mit Stiftslehrern, Beamten und Ärzten, um nur einige Berufsgruppen anzuführen.  Die Treffen – „Convente“ genannt – die anfangs ausschließlich zwischen September und April abgehalten wurden, waren meist ausgeschmückt mit selbstverfassten, humorvollen Vorträgen sowie kräftigem Gesang und gemeinsamem Musizieren. Doch der Ritterbund bestand nicht nur aus Eigennutz, große Aufmerksamkeit widmeten die Mitglieder der Humanität. Die Spenden reichten von der Unterstützung der lokalen armen Bevölkerung mit Sach- oder Geldgaben bis hin zur Hilfe für Opfer überregionaler Katastrophen wie Geschädigte einer Überschwemmung in Vorarlberg oder für die Hinterbliebenen des Ringtheaterbrandes.

Wer nun Lust bekommen hat, noch tiefer in die Welt der „Albrechtsburger Tafelrunde“ einzutauchen, ist eingeladen ab 22. Juni 2024 die gleichnamige Ausstellung im Stadtmuseum zu besuchen. Neben der Vereinsgeschichte und den ritterlichen Zeremonien werden Objekte und Fotos Einblick in das Vereinsleben geben.


15.05.2024

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